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Im Zweifel für Freiheit und Bürgerrechte

Henning Haupts FDP

Guido Westerwelle: „Die Freiheit ist in Gefahr, wenn die Bürger ihr eigenes Immunsystem vergessen.

Im Zweifel für Freiheit und Bürgerrechte

Wir leben in einer Zeit, in der die Bedrohungen unserer Freiheit oft nicht mit lautem Getöse daherkommen. Es sind nicht die dramatischen Umstürze oder gewaltsamen Übergriffe, die uns am meisten Sorge bereiten sollten. Nein, die wahre Gefahr liegt in etwas viel Subtilerem: in den schleichenden Einschränkungen, die mit scheinbar gut gemeinten Begründungen daherkommen.

„Freiheit stirbt immer zentimeterweise“ – dieser liberale Grundsatz ist mehr als nur eine Phrase. Er ist eine Mahnung, die wir uns täglich vor Augen führen müssen. Jede noch so kleine Beschneidung unserer Bürgerrechte, jede vermeintlich unbedeutende Einschränkung, die heute akzeptiert wird, kann morgen einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen. Was heute als Ausnahme gilt, wird übermorgen zur Regel. Was heute als notwendige Sicherheitsmaßnahme verkauft wird, kann übermorgen zum Instrument der Überwachung werden.

Die Geschichte lehrt uns: Freiheit geht nicht in einem großen Schlag verloren. Sie schwindet in kleinen Schritten, in Kompromissen, die vernünftig erscheinen, in Regelungen, die zum Schutz gedacht sind. Doch addieren sich diese Zentimeter über die Jahre, dann stellen wir eines Tages fest, dass wir Kilometer an Freiheit verloren haben.

Und hier kommen wir als Bürgerinnen und Bürger ins Spiel. Die größte Bedrohung für unsere Freiheit geht nicht von den offensichtlichen Gewalttätern aus. Sie entsteht dort, wo wir als Gesellschaft unser eigenes Immunsystem gegen Freiheitsbedrohungen vergessen. Wenn wir aufhören, wachsam zu sein. Wenn wir kritiklos jede staatliche Begründung für neue Rechtsverschärfungen akzeptieren. Wenn wir uns einreden lassen, dass ein bisschen weniger Freiheit ein kleiner Preis für ein bisschen mehr Sicherheit sei.

Dieses Immunsystem – unsere demokratische Wachsamkeit, unser kritisches Bewusstsein für Freiheitsrechte – müssen wir aktiv pflegen und trainieren. Es reicht nicht, auf dem Papier eine Verfassung zu haben, die unsere Rechte garantiert. Diese Rechte müssen jeden Tag aufs Neue verteidigt werden, in der öffentlichen Debatte, in den Parlamenten, auf den Straßen.

Als liberale Partei tragen wir hier eine besondere Verantwortung. Unsere Aufgabe ist es nicht, populären Stimmungen nachzugeben oder reflexartig jeden Ruf nach „härteren Maßnahmen“ zu unterstützen. Unsere Aufgabe ist es, Bürgerrechte zu verteidigen – auch und gerade dann, wenn es unbequem ist. Wir müssen die kritischen Fragen stellen: Ist diese Einschränkung wirklich notwendig? Ist sie verhältnismäßig? Gibt es mildere Mittel? Und vor allem: Welchen Präzedenzfall schaffen wir hier für die Zukunft?

Wir dürfen nicht einfach jeder staatlichen Begründung von Rechtsverschärfungen folgen. Es ist unsere Pflicht, genau hinzuschauen, nachzuhaken, zu hinterfragen. Denn der Staat mag viele berechtigte Interessen haben – Sicherheit, Ordnung, Effizienz. Aber es ist unsere Aufgabe als Liberale, das Gegengewicht zu bilden und die Freiheit des Einzelnen zu verteidigen.

Freiheit ist kein Geschenk, das einmal gegeben wurde und für immer bleibt. Freiheit ist eine Aufgabe, eine tägliche Anstrengung, ein Wert, der immer wieder neu erkämpft und bewahrt werden muss.

Lassen Sie uns wachsam bleiben. Lassen Sie uns jeden Zentimeter verteidigen. Denn nur so können wir verhindern, dass aus vielen kleinen Schritten ein langer Weg in die Unfreiheit wird.

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